Opas Land
Wenn ich Grasnelken seh, denk ich an Opas Land.
Opas Land war ein Schrebergarten, und Opa war stolz auf sein Land.
Sagte mal jemand, natürlich ein Erwachsener, dass ein kleiner Schrebergarten
eben ein kleiner Schrebergarten sei, so wies er ganz bedächtig
auf dessen Höhe und Tiefe hin.
Dieser Garten war ein Stück Land, aus dem uns Blumen, Obst und
Gemüse entgegenwuchsen.
Hinter der grünen Ligusterhecke leuchteten sonnengelbe Trollblumen
und den Weg zur Laube säumten mit Grasnelken eingefasste Blumenbeete.
Dort wuchsen Schneeglöckchen, Krokus, Perlhyazinthen, Narzissen,
Tulpen, Türkenbund, Phlox, Astern und und und. Vom Phlox zupften
wir Blüten ab und sogen etwas Süße daraus. Die Schneeglöckchen
wurden begrüßt, sobald ihre ersten Blätterspitzen hervorlugten.
Sie wurden fast aus der Erde geliebt.
Jeder Aufenthalt auf Opas Land begann mit einem knisternden Reisigfeuer
in dem von Opa gemauerten Herd. Dann duftete es nach Kaffee. Die Erwachsenen
stärkten sich für die Arbeit, mein gleichaltriger Cousin und
ich konnten spielen.

Else, Oma, Cousin. Zum Vergrößern anklicken!
Beim Pflaumenbaum durften wir buddeln. Das taten wir ausgiebig, füllten
die Kuhle mit Wasser und setzten uns hinein. Niemand hatte was dagegen.
Wasser holten wir eimerweise von der Pumpe. Es schmeckte anders als
aus dem Wasserhahn. Es war kühl, frisch und erinnerte ein wenig
an die manchmal abgelutschte Verzierung eines Eisengitters. Bei der
Pumpe gab es einen winzigen Goldfischteich. Ein kleines Viereck, etwas
Schilf, sauberes Wasser und muntere Goldfische.
Gemüse und Obst, noch grün oder reif, angeknabbert wurde
alles. Süße Erbsen und die Schoten genossen, Gurken mit den
Zähnen geschält und Wurzeln endlos gekaut. Es wurde nicht
weniger, der Mund blieb voll.
Wir hatten viel zu naschen. Da gab es Stachelbeeren, säuerliche
rote und herbe schwarze Johannisbeeren, süße Kirschen, Schattenmorellen
und Pflaumen. Eine stachelbewehrte Hecke mit süßen schwarzen
Brombeeren wehrte sich immer. "Huhu, ich hab mich an Opas Brommelbeern
geraatscht. Huhu!"
Es gab einen Misthaufen und grünschillernde Brummer. Und es gab
ein Häuschen mit Herz. Im Häuschen befand sich ein großes
gerahmtes Bild. Meine Mutter hatte das Sitzbrett des Häuschens,
mit Gemüse darauf, gezeichnet und dazu geschrieben:
"Hier wird gesammelt von Mann und Frau
Liebesgaben für den Ackerbau.
Drum sitzet und drücket und drängelt mit Kraft
für die notleidende Landwirtschaft."
Ich hatte eine Meise gefangen. Unaufgeregt hockte sie in meiner Hand,
ließ sich betrachten und beschnuppern. Sie roch nach Bisquit.
Ich hielt sie hoch. "Riech mal, Mutti, riecht wie Keks!"
Ich erinnere mich an den kleinen grünen Laubfrosch. Sein Herz
klopfte so sehr, dass ich es sah. Und vor Angst hatte er mir in die
Hand gemacht.
Gesammelte Regenwürmer verwahrte ich in meinem blauen Teekessel
und machte den Deckel zu. Sie krochen alle aus der Tülle wieder
heraus.
Ein Foto zeigt uns, nicht gerade sauber und in abenteuerlichen Kitteln,
wie wir mit einem Riesenspaß Seifenblasen in die Luft pusteten.
Interessant war der Fotoapparat meiner Mutter. Öffnete man ihn,
so fuhr das Objektiv ziehharmonikaartig heraus. In die Rückseite
wurde eine Platte gelegt. Eine Platte für ein Bild.

Opa, Oma. Zum Vergrößern anklicken!
Wir wurden hungrig und wir bekamen zu essen. Oma konnte wunderbar kochen.
Und wenn sie sah, dass es mir so richtig gut schmeckte, lächelte
sie und sagte: "Lekkertehn, machs ok greune Seep?"
Der junge Apfelbaum trug zum ersten Mal. Opa stand mit seinen kleinen
Enkeln davor. Die Köpfe im Nacken, erspähten wir, inmitten
grüner Blätter, zwei Äpfel.
"Die sind für euch. Wartet nur, bis sie reif sind, dann bekommt
ihr sie."
Die allerersten Äpfel hatte Opa für uns.
April 2008
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